Meldung aus Gaza Aus dem Kriegs-Friedhof
Gaza am 13/08/2014 um 19 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die dreitägige Waffenpause ist fast zu Ende und noch ist
unklar wie es weitergehen wird. Der
Vermittler sollte eigentlich den gleichen Abstand zu den
zerstrittenen Parteien haben, und er
müsste auch auf beiden Seiten den gleichen Druck ausüben
können. Er muss glaubwürdig,
unparteiisch sein und einen guten Ruf genießen - vor allem
muss er von beiden Seiten akzeptiert
werden. Ich hoffe so sehr, dass das auf den Vermittler in
unserer Situation zutrifft.
Als ich gestern mit Bekannten und Freunden in Richtung Shijaiaa aufbrach, hatten wir wenig
Ahnung davon, was wir dort zu sehen bekommen werden. Als wir dann
dort ankamen waren wir
schockiert weil es nicht klar war, wo die Straße entlang
ging. Es gab keine Grenzen mehr
zwischen den einzelnen Häusern, die Bagger haben "sehr
gute Zerstörungsarbeit geleistet", totale
Zerstörung und Gestank von verwesenden Leichen und vom Blut.
Das war sehr unerträglich und
beweist, dass noch Leichen (oder zerfetzte Leichenteile)
unter den Trümmern liegen. Was für eine
Katastrophe, was für eine SCHANDE, dass dieser Völkermord
unter den Augen und Ohren dieser
freien demokratischen Welt stattfindet und die Welt schaut
weg. "Den Tieren in dem Zoo, geht es
besser als es uns hier in Gaza geht". Wären das Tiere
gewesen, so gäbe es möglicherweise eine
UNO-Resolution, damit diese Tiere geschützt werden. Bitte
verzeihen Sie mir diesen Vergleich..
Ich schäme mich so sehr dafür und bedauere es sehr. Diese
Zeilen schreiben ich Ihnen, während
die Tränen mir unaufhörlich übers Gesicht laufen. Ich kann
es einfach nicht glauben, dass so etwas
im 21. Jahrhundert möglich ist und Wirklichkeit werden kann.
Hier in Shijaiaa wurden ca. 3500 Häuser total demoliert und
ca. 6500 Häuser teilweise zerstört. In
diesen Häusern lebten 120.000 Menschen. Nun sind sie
obdachlos. Ich habe unter Ihnen Freunde
und Bekannte sowie Kollegen von der Universität. Es gibt
auch Professoren, die Ihre Häuser auch
verloren haben. Diese letzte Vertreibung aus dem Paradies
wird nicht nur ein einziges Nachwort
haben, es werden unzählige Nachworte sein. Sie werden sich
an meine Worte erinnern. Es ist
irrsinnig, wozu die Menschen fähig sind. ABER das die Opfer
von gestern die Täter von heute sind,
das ist, was mich sehr bedrückt und mir den letzten Atemzug
nimmt.
Das Unrecht, was wir am eigenen Leib und Seele erleb(t)en,
schreit bis zum siebten Himmel, und
ich frage, wo die Hüter der Menschenrechte sind, wo die
aufrichtigen und freien Menschen dieser
Welt sich verstecken. Wo bleiben die Weltkirchen? Wo bleiben
die Philosophen und Denker
unserer Zeit? Was ist wohl mit dieser Menschheit los? Sind
wir wirklich noch Menschen? Haben
wir noch Gefühle. Das ist ungeheuerlich. Ich frage mich,
WARUM? Ich will nur in Frieden und
Würde ein "HALBWEGS" normales Leben führen. Wenn
das viel verlangt ist, so lassen Sie mich das
bitte wissen. Bringt das Morden, Zerstören und Vernichten
Frieden? Hat eine Besatzungsmacht
auf Dauer je einen "KRIEG" gewonnen? Haben die
Unterdrückten "längerfristig" je verloren?
Zum Schluss, diese Besatzung muss ein Ende haben und zwar
hier und jetzt, NICHT Dort und
NICHT in einer Wochen. Es reicht… wenn es noch länger so
weitergehen sollte, dann möchte ich
Sie darum bitten, nach unserem Tod Blumen auf unsere Gräber
zu bringen.
Mit traurigen Grüßen aus dem Friedhof aus Gaza
Abed Schokry
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