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Mittwoch, 13. April 2011

#Kindererziehung aus #islam ischer Sicht (Teil 1):religiöse und moralische Inhalte

Heute beginnt eine neue Serie, die sich mit der Frage beschäftig, wie wir als Muslime unsere Kinder erziehen sollten, was dabei besonders wichtig ist und was im Islam dazu gesagt wird. Zusammengestellt habe ich dies von dem Buch „Grundzüge der islamischen Erziehungslehre“ von Amal Ingrid Lehnert, Vorträgen aus dem Internet von Ruhsar Koca, Abu Jamal, Dr. Muhammad Dalmau Carre, Islamische Zeitung 38. Ausgabe,  u.a., sowie eigenen islamischen und pädagogischen Nachforschungen (Quran, Ahadith, Sunna, moderne Bücher über Kindererziehung). Dies ist keine wissenschaftliche Abhandlung und ich bitte daher, die unvollständigen Quellenangaben zu entschuldigen. Ich hoffe nur, einigen Müttern damit einige Anregungen vermitteln zu können, denn leider wird die islamische Kindererziehung sehr oft vernachlässigt. Eltern wachen oft erst auf, wenn die Kinder in die Pubertät kommen, aufsässig werden und mit den Eltern und dem Islam nichts mehr zu tun haben wollen. Oft ist es dann schon zu spät, denn elterliche Sorge sollte viel früher beginnen. Wir dürfen die Erziehung unserer Kinder nicht allein einer Gesellschaft überlassen, die dem Islam soweiso feindlich gegenübersteht - und noch weniger dem Fernsehen, dem Internet und den Videospielen. Dies sind Werkzeuge, um den Charakter und den Verstand der Menschen zu verderben. Als Erwachsene sollten wir vor allem mit gutem Beispiel vorangehen in allen Dingen und selbst so gut wie wir können vermeiden, was wir für die Kinder ablehnen und selbst umsetzen, was wir von ihnen zu praktizieren wünschen.... Dazu müssen wir uns klarmachen, was uns wirklich wichtig ist, und zuerst an uns selbst arbeiten. Ein Beispiel: Wenn wir selbst regelmäßig Fajr zu beten, können wir die Kinder aufwecken und es gemeinsam beten. Dann, und nur dann, ist es glaubwürdig und charakterbildend. Möge Allah und allen helfen, für Ihn, uns und unsere Kinder das beste aus uns selbst herauszuholen . Ameen.


1         Ziele der islamischen Erziehung

Das Ziel, das die Erziehung von Kindern immer und überall verfolgt, ist Sozialisation, d.h. die Eingliederung in die jeweilige Gesellschaft, in der das Kind aufwächst. Wenn die Werte und Moralvorstellungen der Eltern mit denen der Gesellschaft konform gehen, vereinfacht dies die Erziehung natürlich, da in diesem Fall äußere Einflüsse die Erziehung positiv unterstützen und die Umgebung quasi „mitzieht“. Problematisch aber wird es, wenn das Elternhaus andere Ziele verfolgt, als die von der Gesellschaft vorgegebenen; wenn die elterlichen Vorstellungen den gesellschaftlichen entgegengesetzt sind und man mit seinen Lebensvorstellungen und Idealen „gegen den Strom schwimmen“ muss. Wir müssen uns daher doppelt und dreifach darum bemühen, unsere Kinder gut zu erziehen und nicht erst dann aufwachen, wenn es bereits zu spät ist.
Das höchste Ziel der Erziehung im Islam ist, dass der Mensch für Allah alleine lebt und zum Wohle seiner selbst und der gesamten Menschheit wirkt.
Die Einzelziele gliedern sich auf in 4 Bereiche:

a) die Zucht der Seele                                  = religiöse Erziehung
b) die Läuterung des Geistes                        = sittliche und moralische Erziehung
c) die Bildung des Verstandes                       = wissenschaftliche Erziehung
d) die Stählung des Körpers                         = leibliche Erziehung

Gemeinhin beläuft sich die Vorstellung von elterlicher Verantwortung darauf, dass Eltern sich darum bemühen, dass ihr Kind gesund ist, „gute Manieren“ bekommt, eine gute Ausbildung erhält, verantwortungsbewusst, erfolgreich und nach Möglichkeit beliebt ist und später einmal einen guten Beruf erlernt und einen möglichst hohen gesellschaftlichen Rang erhält. Solche Eltern ernähren und kleiden ihre Kinder gut, und im Überfluss, kümmern sich um ihr weltliches Fortkommen, indem sie sie mit allen Mitteln wirtschaftlichen Wohlstandes versorgen, aber sie vernachlässigen meist ihre moralische Stärkung, als ob dies etwas Unwichtiges wäre. Jedoch im Gegenteil, die moralische Ausbildung und Disziplin ist unvergleichlich wichtiger als weltliche Erziehung und hat wesentlich mehr Wert und Bedeutung …“
Die islamische Erziehung unterscheidet sich daher von der im Westen üblichen, denn es wird der Persönlichkeit eine besondere Prägung verliehen. Moralische Werte und religiöse Pflichten sind hier wichtiger als weltlicher Erfolg.
Wir als Eltern müssen uns immer bewusst machen, dass unsere Kinder nicht unser, sondern Allahs Eigentum sind, welches Er sich jeder Zeit zurückholen kann. Und es ist unsere Verantwortung, unsere Kinder auf eben jenen Augenblick, an dem sie ihrem und unserem Schöpfer gegenübertreten, vorzubereiten. Genau deshalb ist es Aufgabe der Eltern, ihren Kindern möglichst gute Voraussetzungen dafür zu geben, hohe spirituelle Ränge zu erreichen. So ist das Wichtigste, das Eltern an ihre Kinder weitergeben können, die Liebe zu Allah. Ebenso wie Kinder weltlicher Eltern die Welt lieben werden, werden die Kinder gläubiger Eltern Allah lieben.    
                         

1         Inhalte islamischer Erziehung

1.1      Religiöse Inhalte


Geht es um religiöse Erziehung, denken wieder viele Leute, dass es nicht mehr ist, als ein Satz von Anordnungen, Verboten und Strafen. Es ist viel mehr als das. Es gibt einen ganz großen Unterschied zwischen einem Elternteil, der sein Kind dafür bestraft, dass es nicht betet oder einem Elternteil, der sein Kind lehrt, das Gebet zu lieben. Es gibt einen ähnlichen Unterschied zwischen einem Elternteil, der sein Kind wegen des Benutzens eines geschmacklosen oder unanständigen Wortes bestraft, oder einem Elternteil, der sein Kind lehrt, solch eine Sprache zu verabscheuen und seine Reden zu verbessern.
Daher ist die Vermittlung der Liebe zu Allah und dem Propheten das Wichtigste bei der religiösen Erziehung im Islam.
Das Grundkonzept besteht darin, dem Kind zu vermitteln, dass wahrer Frieden und wahre Freiheit in der Unterwerfung unter Allahs Willen liegt und es dann ein erfülltes Leben im Einklang mit dem Universum und dem Göttlichen Gesetz führen wird.
Es muss wissen, dass Allah das Recht hat, dass man nur an ihn glaubt, nur ihn verehrt und anbetet, ihm gehorcht und seine Gebote befolgt.
Erlaubt ist, was Allah nicht verboten hat.
Verboten ist vom Prinzip her alles, was dem Menschen körperlich, geistig oder sittlich schaden könnte, wie z.B. Unterhaltung, die die körperlichen Bedürfnisse anregt und gegen die islamische Moral verstößt.
Die Rechte der anderen auf Unversehrtheit an Leib, Ehre und Eigentum dürfen nicht verletzt werden.
Es ist von grundlegender Bedeutung, dass das islamische Selbstbewusstsein beim Kind gefördert wird. Dazu gehört, dass dem Kind seine Bestimmung als Muslim, der Sinn und Zweck seines irdischen Daseins vermittelt und erläutert wird. Dem Kind muss seine Möglichkeit greifbar gemacht werden, einen entscheidenden Beitrag zur Errettung seiner Selbst und der gesamten Menschheit zu leisten. Es muss wissen, dass seine Taten Folgen haben und gewissenhafte Pflichterfüllung ihm die große Chance bietet, das Paradies zu erlangen.

1.1.1      Islamische Inhalte im Detail

1.     Den Kindern soll das Aussprechen von La Ilaha illa llah, Muhammadun Rasulullah beigebracht und der Sinn erklärt werden.
2.      Eines der wichtigsten Dinge ist die Liebe zu Allah von ganzem Herzen und der Glaube an ihn. Er, der Eine, der Allmächtige, hat uns erschaffen, ernährt uns und rettet uns in der Not. Wir sind von tiefstem Herzen dankbar für seine Gaben.
3.    Die Kinder sollen lernen, nach dem Paradies zu streben. Es gehört demjenigen, der betet, seinen Eltern gehorcht, die Wahrheit sagt und gute Werke verrichtet. Die Eltern sollen die Kinder auch vor dem Höllenfeuer warnen, das die reuelosen Ungehorsamen und Aufsässigen gegen Allah verschlingt.
4.     Die Kinder sollen lernen, dass nur Allah der wahre Helfer und Geber ist. Sie erhalten nur die Dinge und Hilfe, die Allah ihnen zukommen lassen will. Daher sollen sie auf ihn allein vertrauen und ihn um alles bitten.
5.     Wenn die Kinder das 7te Lebensjahr vollendet haben, sollen sie das Gebet beigebracht bekommen und mit 10 sollen sie regelmäßig beten. Dazu zeigt man den Kindern, wie man Wudu verrichtet, nimmt sie in die Moschee mit, gibt ihnen Broschüren oder Filme über das Gebet und fordert sie liebevoll auf, mit den Eltern zu beten. Es ist gut, sie zu motivieren, am Gruppengebet und Freitagsgebet in der Moschee teilzunehmen.
6.   Für die Verrichtung des Gebetes ist es notwendig, dass die Kinder einige Suren des Quran beherrschen und die anderen Sequenzen des Gebetes. Wenn es Quran-Unterricht gibt, sollte man sein Kind daran teilnehmen lassen; ansonsten kann man einen Lehrer beauftragen, wenn man selbst dies nicht gut kann (weil man z.B. als Nicht –Araber eine fehlerhafte Aussprache hat).
7.      Den Kindern soll der Gebrauch schlechter Worte verboten werden, das Schimpfen, Verdammen und die üble Nachrede. Dabei müssen die Eltern selbst ihre Zunge hüten und ein gutes Vorbild sein.
8.      Die Kinder müssen vor Glücksspielen aller Art gewarnt werden, auch wenn es zum Spaß sein sollte. Sie verursachen Feindseligkeit durch ihre Ungerechtigkeit, und sind Geld-, Zeit- und Gebetsverlust.
9.     Den Kindern müssen die erotischen Magazine, pornographische Bilder und Bücher über Gewalt und Verbrechen verboten werden, ebenso gleichartige Kino-, Fernseh- und Videofilme wegen des großen Schadens an der Moral und des schlechten Vorbildes, das sie präsentieren.
10. Die Kinder müssen vor dem Rauchen gewarnt werden, indem man ihnen erklärt, dass es der Gesundheit schadet, Krebs verursacht, die Zähne schädigt, einen schlechten Geruch und keinen Nutzen hat. Auch ist es Geldverlust.
11.  Das Kind soll sich daran gewöhnen, mit der rechten Hand zu essen und trinken, vor dem Essen und jeder Tat bismillah auszusprechen sowie nach dem Essen alhamdulillah zu sagen.
12.  Das Kind soll sich an Reinheit gewöhnen. Es soll sich die Nägel schneiden, vor und nach dem Essen die Hände waschen und danach den Mund ausspülen oder die Zähne putzen. Nach der Toilette soll es Wasser und Toilettenpapier zur Reinigung verwenden und es muss ihm dabei erklärt werden, dass Reinheit für die Verrichtung des Gebetes notwendig ist und auch die Kleidung nicht verschmutzt sein darf.
13.  Die Kinder sollen lernen, die Muslime mit dem islamischen Gruß zu begrüßen: Assalamu alaikum wa rahmatullahi wa barakatuh.
14.  Die wichtige Rolle der Güte zu den Eltern, Verwandten und Nachbarn soll dem Kind vermittelt werden und generell die Gastfreundlichkeit.
15.  Es ist zu empfehlen, den Kindern über das Leben des Propheten (sas) und seiner Gefährten zu erzählen, ihre hoch gelobten Manieren, ihre Tapferkeit und Mut, das Aufrufen zum Guten und Gebieten des Rechten sowie Verbieten des Verwerflichen, damit die Kinder sie sich zum Vorbild nehmen und ihnen nacheifern.
16.  Hierzu gehört auch die Vermittlung von islamischem Kultur- und Wissensgut. Dazu gehören in erster Linie die ausführliche Darstellung der Glaubensgrundsätze, welche den Glauben an
- Allah (t), den Schöpfer alles Seienden und Seine Eigenschaften,
- die Propheten bzw. das Prophetentum, die Erläuterung aller Propheten, ihre Berufung, ihre Aufgabe, ihr Leben und Wirken, ihre Vorbildfunktion
- die Bücher Allahs, die den einzelnen Propheten offenbart wurden, ihre Bestimmung und ihre Bedeutung,
- die Engel,
- das Leben nach dem Tod und
- die Vorherbestimmung durch Allah (t) verkünden.

Die fünf Säulen des Islam
- das Glaubensbekenntnis
- das Gebet
- die Armensteuer
- die Pilgerfahrt und
- das Ramadan-Fasten

Weiterhin sollte dem Kind
- die Entstehung und Entwicklung der islamischen Kultur und Zivilisation,
- die islamische Geschichte einschließlich der Berichte über das Leben und Wirken der Kalifen und anderen hervorragenden Persönlichkeiten,
- die Einstellung des Islam zu den Wissenschaften und sein eigener Beitrag zu ihnen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu anderen Religionen, insbesondere Judentum und Christentum, und deren Darstellung aus islamischer Sicht, sowie
- das System eines islamischen Staates vor Augen geführt werden.
17.  Zum islamischen Wissen gehört auch die Kenntnis der arabischen Sprache, die Sprache des Qur'an, die das Kind erlernen soll, um in erster Linie den Qur'an lesen und verstehen zu können, und um ein Gebet mit innerer Beteiligung zu gewährleisten und ein blindes Auswendiglernen zu vermeiden.

1.2      Sittliche (moralische) Inhalte


Es ist wichtig, dem Kind bewusst zu machen, dass alle ethischen und moralischen Vorschriften im Gesetz Allahs wichtige Bausteine der islamischen Gesellschaft sind, und Schutz bieten sollen für den Einzelnen und die Allgemeinheit gegen Abweichungen vom Weg zu Allah und vor Elend, Übergriffen und Gewalttaten aller Art. Es sind sinnvolle Grenzen, die das Zusammenleben der Menschen erleichtern und verschönern, da sie Sicherheit, Geborgenheit und Würde in einer Gesellschaft zu sichern versuchen.

1.2.1      Aufrichtigkeit

Instinktiv ist jeder Mensch geneigt, die Wahrheit zu sagen und alles, was er von anderen hört, für wahr zu halten. Schlägt ein Kind beim Spielen eine Fensterscheibe ein und braucht es keinerlei Bestrafung zu fürchten, dann wird es auf die Frage, wer sie kaputt gemacht hat, in aller Ruhe erzählen, wie es zu dem Vorfall gekommen ist. Aber wo Angst im Spiel ist, wird es versuchen, seine Unschuld durch eine Lüge vorzutäuschen. Das ungewohnte Verhalten und seine abgehackte Sprache sind Indiz genug dafür, dass es lügt und dass diese Tat im Widerspruch zu seiner gottgegebenen Veranlagung (Fitra) steht. Die Gesandten Gottes, deren bedeutendster Teil ihrer Botschaft die Wiederbelebung der gottgegebenen Veranlagungen war, haben die Menschheit stets zur Aufrichtigkeit gemahnt. Unaufrichtigkeit zerstört den Glauben und daher gehört die Lüge zu den größten Sünden. Es gehört zu den Aufgaben der Eltern, ihre Kinder zur Aufrichtigkeit anzuhalten und Lüge als Abirrung vom geraden Weg aufzuzeigen. Wenn Kinder lügen dann hat das meist tiefere Ursachen, die es zu untersuchen gilt, bevor wirksame Gegenmaßnahmen getroffen werden können.
Angst, Minderwertigkeitsgefühle, Geltungssucht und vieles andere können das Kind dazu verleiten. Lügen ist eine Folgeerscheinung von Unterdrückung, eine Reaktion innerer Ohnmacht. Sie ist eine Krankheit, die oft unterschätzt wird. Einer normalen Erkältung wird oft größere Beachtung geschenkt.

Eine Ursache des Lügens sind zu schwere Aufgaben, die dem Kind zugemutet werden. Manche übereifrige Eltern meinen, ihre Kinder dadurch zu Frömmigkeit und Gottesfurcht erziehen zu können, dass sie von ihnen eine große Menge gottesdienstlicher Handlungen abverlangen. Auf der einen Seite kann das Kind die aufgebürdeten Pflichten nicht erfüllen, auf der anderen Seite will es seine geliebten Eltern nicht enttäuschen oder gar ihren Zorn auf sich lenken. Notgedrungen greift es zur Lüge. Der Prophet Muhammad (sas) mahnt uns: "Verlangt vom Kind nicht zu viel, sonst macht ihr es zum Lügner und schreckt es ab von Gott."


Kindern, denen nur wenig Beachtung geschenkt wird, die von anderen Familienmitgliedern nicht ernst genommen werden, werden sich jede Gelegenheit zu Nutze machen, die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu lenken. Wird dem Kind grundsätzlich die ihm gebührende Aufmerksamkeit verwehrt, dann wird sich das Kind oft der Lüge bedienen, um auf sich aufmerksam zu machen. In diesem Sinne ist auch der Ausspruch des Propheten Muhammad (sas) zu verstehen: "Gebt den Kindern Persönlichkeit und achtet sie!"

Der Urenkel des Propheten legte seinen eigenen Kindern folgenden Ratschlag ans Herz: "Meidet große und kleine Lügen, ernst gemeinte oder aus Spaß ausgesprochene. Denn wenn jemand eine kleine Lüge sagt, dann mutet er sich bald eine große zu." Die Lüge verdirbt Charakter, Gesetz und Gesellschaft. Lügen schafft Misstrauen, verfeindet die Menschen untereinander und verzehrt die Wurzel der Tugend und Menschlichkeit.

Es ist ein großer Fehler, wenn die Eltern vor dem Kind lügen oder es gar in ihre Lügen miteinbeziehen. Manche Eltern stiften ihre Kinder zur Lüge an, um aus einer für sie unangenehmen Situation leichter herauzukommen. Der Klassiker ist natürlich: "Sag ihm, ich bin nicht da." Aber es gibt noch viele weitere Situationen, in denen die Eltern den Kindern falsche Signale geben können, ohne dass es ihnen bewusst ist. Wenn man beispielsweise dem Kind eine Belohnung verspricht, so muss man sie nach der Erfüllung der Aufgabe auch erteilen, sonst ist es Betrug. Ein Mann, der seinen Esel so hinters Licht führte, wurde als Übermittler von Hadithen aus diesem Grunde abgelehnt! 
Und es ist auch nicht in Ordnung, dass man den Kindern eine Bitte abschlägt, indem man inshaAllah sagt, und eigentlich Nein meint. Manche Kinder fangen an, allergisch auf das Wort inshaAllah zu reagieren, weil die Eltern sie jedesmal damit abspeisen, wenn sie einfach nur ihre Ruhe haben wollen. Aber wer inshaAllah sagt, der drückt damit aus, dass man vorhat, dies zu tun und es geschehen soll, wenn nicht die höhere Macht Allahs dies verhindert. Wenn man also nicht vorhat, eine Sache in Angriff zu nehmen, so sollte man dies auch so sagen und es nicht fälschlicherweise Allah "in die Schuhe schieben."!

1.2.2      Vertrauenswürdigkeit

"... und haltet die Verpflichtung ein, denn über die Verpflichtung muss Rechenschaft abgelegt werden." (Sure 17:35)
Eine jener Eigenschaften des Menschen, die in seiner gottgegebenen Veranlagung (Fitra) wurzeln, ist die Einhaltung von Versprechen. Das Kind soll die Einhaltung von Versprechen als wahre Verpflichtung empfinden und den Bruch von Versprechen als hässliche Untat erkennen. Die Einhaltung von Versprechen ist ein Zeichen des wahrhaft Gläubigen. Die Grundlagen dazu müssen schon in der Kindheit gelegt werden.

Jeder Mensch spürt instinktiv, dass er ein einmal eingegangenes Versprechen einzuhalten hat. Andernfalls verspürt er Gefühle der Scham und Reue. Er weiß, dass er sich nicht richtig verhalten hat, denn er erwartet ja auch von anderen, dass sie sich ihm gegenüber korrekt verhalten. Wenn ihm gegenüber jemand sein Wort bricht, dann reagiert er selbst enttäuscht und betroffen. Auch das kleine Kind, das wissenschaftlich logische Zusammenhänge noch nicht erfassen kann, spürt innerlich diese Notwendigkeit. Wenn sein Vater ihm bei seiner Abreise ein kleines Spielzeug versprochen hat, dann erwartet das kleine Kind sehnsüchtig das ihm versprochene Geschenk. Es glaubt instinktiv daran, dass der Vater damit nach Hause kommen wird. In freudiger Erwartung springt es ihm nach dessen Eintreffen in die Arme. Hat der Vater nun sein Versprechen nicht eingehalten, dann fühlt das Kind, dass sich etwas wider Erwarten ereignet hat. Es ist etwas gegen sein natürliches Empfinden passiert. Es ist enttäuscht und sein Vertrauen in den Vater ist erschüttert.

Im Islam gehört die Einhaltung von Versprechen und von auf privater und gesellschaftlicher Ebene eingegangenen Verpflichtungen zu den unbedingt zu erfüllenden Geboten. Dazu gibt es viele Hinweise im Qur'an: 

"Wahrlich, erfolgreich sind die Gläubigen. Und diejenigen, die das ihnen anvertraute Gut und ihre Verpflichtung hüten." (Sure 23:1 und 8).

Nach einer Überlieferung bei al-Bukhari sagte der Prophet Muhammad (sas): "Wer immer aufrichtig spricht, sein Vertrauenspfand sorgfältigst hütet und zu den Menschen am herzlichsten ist, der steht mir am Tag des Gerichts am nächsten.“ 
Von dem Propheten Muhammad (sas) stammt der Ausspruch: "Drei Dinge sind es, die der Gläubige unbedingt einzuhalten hat: Das Einhalten von Versprechen, möge nun der Partner Muslim oder Nichtmuslim sein. Güte den Eltern gegenüber, mögen sie nun Muslime sein oder nicht. Und das ihm anvertraute Gut zu hüten, möge es sich nun um Muslime handeln oder nicht."
Damit ein Muslim gar nicht erst in den Ruf des Vertrauensbruchs gerät, sollte er vor jedem Versprechen seine Möglichkeiten der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung abwägen und erst dann sein Wort geben. In der Erziehung ist dieser Aspekt der realen Abschätzung der eigenen Möglichkeiten ein wesentlicher Beitrag der ihm in seinem späteren Leben viele Unannehmlichkeiten erspart.

1.2.3      Nächstenliebe

Die Muslime sollen gegenseitige Feindseligkeiten und Gruppenbildungen jeder Art vermeiden. Gegenüber Nicht-Muslimen sollen sie Toleranz zeigen und mit ihnen in Frieden leben. Sie sollen durch ihren ausgezeichneten Charakter die Menschen für den Islam gewinnen.
Es ist ein wichtiger Baustein in der Erziehung, dass im Kind das Gefühl der Nächstenliebe entwickelt wird, um in ihm das Bedürfnis der Pflichten wie Rücksichtnahme, Almosengeben, das Teilen seiner Spielsachen mit anderen etc. zu wecken, da reines Auferlegen solcher Pflichten nicht mit dem richtigen Geist erfüllt ist. Nur durch die Gefühle der Nächstenliebe und der Gottesfurcht wird das Kind das Bedürfnis haben, diese Pflichten zu erfüllen. Dazu gehört auch die goldene Regel der Brüderlichkeit, die wir alle kennen: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Oder mit den Worten des Propheten: „Keiner von euch ist gläubig, bis er für seinen Bruder das wünscht, was er für sich selbst wünscht.“ In dieser Regel ist eigentlich alles enthalten, was zu gutem Verhalten führt. Alles, was andere traurig macht, sei es, dass man über sie schlecht redet, sie übergeht, ausnutzt, beschimpft, sie ausschließt, angreift, schlägt, auslacht, beklaut etc., wird man unterlassen, wenn man sich dabei bewusst macht, wie man sich selbst in einem solchen Fall fühlen würde.
Für das Kind soll klar erkennbar werden, dass Nächstenliebe ein wichtiger Grundstein für eine gesunde Gesellschaft ist. Mit dieser Nächstenliebe schützt sich der Mensch selbst vor Egoismus, Geiz und Habsucht, den Mitmenschen vor Neid, Missgunst und kriminellen Handlungen und die Gesellschaft vor Ungleichgewicht, Unsicherheit und Zusammenbruch. Dazu gehört auch, nicht absichtlich oder nachlässig den Neid anderer zu erregen, indem man z.B. mit schönen Dingen angeberisch auf die Strasse geht, die für andere nur schwer erreichbar sind.

1.2.4      Umweltfreundlichkeit

Islamisch gesehen ist es erlaubt, Tiere zu schlachten, um sich von ihnen zu ernähren, jedoch verboten, sie zum Vergnügen oder aus sportlichen Motiven heraus zu töten. Tierquälerei gilt als verwerflich. Auch das unnötige Fällen von Bäumen und Sträuchern ist verboten und jede Art von Verschwendung soll vermieden werden, da sie gleichzusetzen ist mit mangelnder Wertschätzung und somit Undankbarkeit dem Schöpfer gegenüber.

1.2.5      Keuschheit

Die Kinder müssen an die islamischen Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften herangeführt werden und ein Gefühl für Anstand, Ehre und Würde entwickeln, das eine Erniedrigung zum Sexualobjekt oder zum Sklaven seiner Begierden nicht zulässt. Alle Formen der Unterhaltung und des Zeitvertreibes, die die erotischen Gefühle anregen, sind zu vermeiden; seien es anzügliche Filme, Bücher oder Lieder. Dass die Eltern hierin ein Vorbild sein müssen, dürfte jedem klar sein, da Doppelmoral sich destruktiv auswirkt und die Glaubwürdigkeit untergräbt. Dem Kind soll die Heiligkeit der Familie vor Augen geführt werden als Ort der Geborgenheit und Sicherheit sowie die große Verantwortung der Elternschaft. Es ist vorteilhaft, gleichgeschlechtliche Freundschaften bereits im Kindesalter zu fördern, damit die spätere Geschlechtertrennung in vielen Bereichen keinen schmerzhaften Einschnitt bedeutet.

1.2.6      Weitere vortreffliche Charaktereigenschaften

Im Quran finden wir, wie Luqman seinen Sohn ermahnt und ihn in der Religion unterweist:
"Und da sagte Luqman zu seinem Sohn, indem er ihn ermahnte: „O mein Sohn, setze Allah keine Götter zur Seite; denn Götzendienst ist wahrlich ein gewaltiges Unrecht.“. Und Wir haben dem Menschen im Hinblick auf seine Eltern anbefohlen - seine Mutter trug ihn in Schwäche über Schwäche, und seine Entwöhnung erfordert zwei Jahre: „Sei Mir und deinen Eltern dankbar. Zu Mir ist die Heimkehr! Doch wenn sie dich auffordern, Mir das zur Seite zu setzen, wovon du keine Kenntnis hast, dann gehorche ihnen nicht. In weltlichen Dingen aber verkehre mit ihnen auf gütige Weise. Doch folge dem Weg dessen, der sich zu Mir wendet. Dann werdet ihr zu Mir zurückkehren, und Ich werde euch das verkünden, was ihr getan habt.“ „O mein Sohn, hätte es auch nur das Gewicht eines Senfkorns und wäre es in einem Felsen oder in den Himmeln oder in der Erde, Allah würde es gewiss hervorbringen. Wahrlich, Allah ist Gnädig, Kundig. O mein Sohn, verrichte das Gebet und gebiete Gutes und verbiete Böses und ertrage geduldig, was dich auch treffen mag. Das ist wahrlich eine Stärke in allen Dingen. Und weise den Menschen nicht verächtlich deine Wange und schreite nicht ausgelassen (in Übermut) auf Erden; denn Allah liebt keine eingebildeten Prahler. Und schreite gemessenen Schrittes und dämpfe deine Stimme; denn wahrlich, die widerwärtigste der Stimmen ist die Stimme des Esels.“" (Qur'an 31:13-19)

Dieser Vers beinhaltet vieles, wie die Wichtigkeit der Güte zu den Eltern, der Zivilcourage, der Geduld in Prüfungen, der Bescheidenheit, Höflichkeit und dem Respekt vor anderen. 

Allgemein kann gesagt werden, dass sich die Hadithe und Geschichten des Propheten (sas) hervorragend dazu eignen, den Kindern Moral zu vermitteln. Sie können als Gute-Nacht-Geschichten eingesetzt werden oder in Gespräche mit einbezogen werden. Es ist nicht ausreichend, das Kind ein Mal in der Woche in die Moschee zu schicken, damit es dort seine Religion lernt. Erziehung findet jeden Tag statt. Wenn man immer wieder alltägliche Ereignisse kommentiert und die islamische Sichtweise beschreibt, so lernt das Kind automatisch, die Dinge auf diese Weise zu betrachten. Dies ist viel nachhaltiger, als ein künstlich aufgesetzter Unterricht, der mit den Alltagserfahrungen des Kindes nichts zu tun hat.




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